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„Kunst kann zur Souveränität der menschlichen Gesellschaft führen.“ Ottmar Hörl
OTTMAR HÖRL
Ausstellung vom 19. Januar bis 22. März 2020 im CJK, Gent/Belgien
Eröffnung: Samstag, 18. Januar 2020, 19:30 Uhr
Ottmar Hörl, ehemaliger Präsident und Professor der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg zählt zu den erfindungsreichsten deutschen Konzeptkünstlern und Bildhauern. International bekannt wurde er mit innovativen, radikalen Werken sowie großen Installationen mit seriellen Skulpturen in Stadträumen, die auf seinem Konzept von Kunst als Kommunikationsmodell basieren. Hörls Arbeiten stehen stets im Spannungsfeld von Kunst, Gesellschaft und Natur. Hörl ist Impulsgeber, „ist Künstler, Regisseur und Forscher in der Bilderwelt. Es geht dabei immer auch um die Debatte in der Geschichte und Entwicklung der Kunst. Dass Ottmar Hörl mit seinen Spielregeln und Ordnungsvorgaben häufig mit viel Humor bei Ironie und dem Absurden landet, wirkt befreiend, macht die Augen und den Kopf frei, anders zu sehen und wahrzunehmen, Metamorphosen als neue Fragestellungen zu begreifen.“[1] Die Ausstellung im CJK ermöglicht anhand ausgewählter Arbeiten einen Einblick in Hörls Werk, das Besucher zur Auseinandersetzung einlädt.
Können wir uns in die Kunst früherer Zeiten wirklich hineindenken? Wie nehmen wir diese eigentlich heute wahr? In der Werkserie Bildstörungen (seit 2009) widmet sich Hörl den Fragen der Wahrnehmung von Kunst, Ikonographie und Ikonologie. Betrachten wir Hörls Bilder zu “Ikonen der Kunstgeschichte“ – darunter beispielsweise die Lucca Madonna und die Madonna des Kanzlers Rolin von Jan van Eyck oder auch die Schlafende Venus von Giorgione – alle gescannt aus Kunstkatalogen, stellen wir fest, dass Hörl diese durch minimale Eingriffe verändert und als digitalen Fine Art Print wieder in Originalgröße „zurückgebracht“ hat: „Wir betrachten Kunst zum größten Teil über Kataloge, weil wir gar nicht alle Museen auf der Welt besuchen können. Unsere Wahrnehmung stützt sich so auf die Erfahrung der Rezeption von Katalogabbildungen. Es geht also nicht darum, Kunst infrage zu stellen, die vor 500 Jahren entstand, sondern darum, die Idee des Katalogs zur Betrachtung von Kunst anders zu deuten. Meine künstlerische Betrachtung eines Katalogbildes ist eine Anmerkung dazu, dass Dinge sich verwandeln und Bildsprachen, die Ikonographie von künstlerischen Werken sich verändern.“[2] betont Hörl. So sind Hörls subversive Bildstörungen eine Einladung an Besucher, sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben, die (vielleicht besonders auch im Hinblick auf die bevorstehende Jan van Eyck Ausstellung) die Sinne schärft.
Bei der malerischen Werkserie Naturschauspiel (seit 2017) handelt es sich um Unikate in Acryl auf Leinwand gemalt in verschiedenen Grüntönen. Zu sehen sind dynamisch bewegte Linien, ohne Anfang und Ende, die sich die gesamte Bildfläche, erobern. Hier zeigt sich Hörls bildhauerischer Zugang, sein Gespür für Raum und Tiefe. So eröffnen sich ganz unterschiedliche Dimensionen möglicher Assoziationen. Das reicht von Albrecht Dürers revolutionärem „Großem Rasenstück“, mit dem sich Hörl bereits 2003 in Form einer Installation beschäftigt hat, bis hin zum Naturbegriff im 21. Jahrhundert sowie zur Komplexität globaler Vernetzungen im digitalen Zeitalter.
Die seriellen Kunststoffplastiken Moderne Skulptur (seit 2008) in Verkehrsfarben gegossen, greifen Formprinzipien moderner Kunst des 20. Jahrhunderts auf und verweisen auf formale Strukturen von Hans Arp oder auch auf den russischen Konstruktivismus. Sie bringen diese in neuartiger, so noch nie gesehener Form auf den Punkt. Ausgangspunkt der Skulpturen im gordischen Stil (seit 1998) bilden dagegen Leerrohre, die in jedem Baumarkt erhältlich sind. Hörl erkannte deren Qualitäten und Talente für maximale Flexibilität und verknüpfte seine Skulptur durch entsprechende Titelgebung mit dem antiken Mythos des Gordischen Knotens. „Die Lösung des nach Gordios, dem sagenhaften Gründer des Phrygerreiches und Vater des wegen seines Reichtums berühmten Midas, benannte Knoten war der Überlieferung nach mit der Herrschaft über Asien verbunden. 334 v. Chr. fiel der kleinasiatische Staat Gordion an Alexander den Großen, und der soll den Knoten mit einem Schwerthieb zerschlagen haben. Ottmar Hörl macht das Handwerksmaterial zum Bildträger eines Mythos. Er führt seine Flexibilität und Verwandelbarkeit vor Augen: Der Gegenstand bleibt bei sich, behält seine Identität und gewinnt zugleich eine mythisch bildhafte Gestalt und Bedeutung, Sinnbild für ein Problem schlechthin, dass auch der geniale Feldherr der Antike nur mit roher Gewalt zu lösen vermochte, weil der Gordische Knoten nicht nur ein wie auch immer zu lösendes Rätsels verkörperte, sondern ein Geheimnis. So ist auch diese Skulptur mehr ein plastisches Ereignis, Metapher für - nach bestimmten Spielregeln geschaffene Ordnung und unauflösbare Unordnung, weil nur mit roher Gewalt in seinen ursprünglichen Zustand als Ready-made zurückzuführen. (…) Ready-made als gefundenes, industriell gefertigtes Produkt, und Skulptur als plastisches Organisationsprinzip sind als zwei Prinzipien in den Kunstwerken Ottmar Hörls unauflöslich miteinander verbunden.“ 1
Im Außenraum des CJK begegnen Besucher -auf Wunsch der Veranstalter- auch den legendären Sponti-Zwergen. Dass der Gartenzwerg als Hörl´sches Erfolgsmodell einmal die Welt erobern würde, war anfangs noch nicht abzusehen. In den ´70er und ´80er Jahren arbeitete Hörl bereits mit industriell hergestellten Materialien sowie einer ersten Installation mit Gartenzwergen in der Galerie ak in Frankfurt am Main. „Der Gartenzwerg ist die am meisten diskreditierte Figur in Deutschland. Mich hatte die Frage interessiert: Hat diese Figur das Potential zum künstlerischen Material?“, so Hörl. 1994 folgte die Installation Fliegender Wechsel, im öffentlichen Raum von Seligenstadt mit 1.000 blauen Sponti-Zwergen aus Kunststoff. Die Aktion war eine Referenz an die sogenannte Sponti-Szene der ´70er und ´80er Jahre in Frankfurt am Main, eine Bewegung linksorientierter politischer Aktivisten, in der sich damals unter anderem auch Joschka Fischer engagierte. Zahlreiche weitere Installationen mit seriellen Skulpturen folgten bis heute. (Zuletzt 2019 die politisch Installation „Jeder gegen Jeden“ in der Kunsthalle Schweinfurt.) Manfred Schneckenburger, ehemaliger Documenta-Leiter, ordnete Hörl im Hinblick auf dessen Installationen als „offensiven, zielgenauen Strategen einer neuen öffentlichen Kunst“[3] ein. Die radikale Konsequenz, alles aus Ort, Zeit und jeweiliger gesellschaftlicher, kultureller Fragestellung abzuleiten, verleiht Hörls Arbeiten eine kommunikative Wirkungskraft, die museale Räume überwindet und unzählige Menschen begeistert. „Der öffentliche Raum ist für mich eine ideale Präsentationsplattform, um Kunst für viele Menschen zugänglich zu machen. Dabei sehe ich meine Rolle als Impulsgeber für kreative Prozesse. Kreativität und Gestaltungskraft sind die Grundlagen für die Fähigkeit zur Weiterentwicklung all unserer Lebens- und Arbeitsbereiche und damit letztlich auch zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft.“, erläutert Hörl
Erste Einzelpräsentationen in Belgien erhielt Ottmar Hörl übrigens 1982 im Provinciaal Museum in Hasselt (jetzt Z33) sowie 1991 in der Galerie Transit in Leuven. 2008 entwickelte er zur Lineart in Gent die Arbeit „Dance with the Devil“ mit einer Armee aus 700 seriellen „Poisoned“-Giftzwergen, die den Arm zum Hitlergruß heben – eine Installation als „Persiflage auf das Herrenmenschentum der Nazis“, die die Mechanismen und Manipulationsstrategien hierarchischer Herrschaftssysteme entlarvt und weltweit mediale Aufmerksamkeit sowie Diskurs erzeugte.
Kurzbiografie: Ottmar Hörl wurde 1950 in Nauheim/Deutschland geboren. Er lebt und arbeitet in Frankfurt am Main und Wertheim. 1985 gründete er mit den Architekten Gabriela Seifert und Götz Stöckmann die interdisziplinäre Gruppe Formalhaut. Bis 2018 lehrte er als Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und leitete die Institution bis 2017 als Präsident. Sein Werk wurde mit Preisen wie dem art-Multiple Preis, dem Wilhelm-Loth-Preis, dem intermedium-Preis oder dem CREO-Preis ausgezeichnet. Hörls Arbeiten sind in internationalen Ausstellungen sowie bedeutenden Museen und öffentlichen Sammlungen vertreten wie der Albertina Wien in Österreich, dem Daegu Art Museum in Südkorea oder dem San Francisco Museum of Modern Art in den USA.
Derzeit ist außerdem in London die Installation “Lunch Break“ in Kooperation mit KHBT anlässlich des London Festival of Architecture an der St. Paul’s Underground Station noch bis März 2020 zu sehen.
Zur Homepage des Veranstalters
[1] Vgl.: Werner Meyer in: Ottmar Hörl. Problemlösung. Skulptur als Organisationsprinzip, Ausstellungskatalog, Arsenal HKM1 der Johannes Gutenberg Universität Mainz, 15. Juli bis 15.8.2002, Todtnau im Schwarzwald 2002
[2] Ottmar Hörl in: Ottmar Hörl. Rede an die Menschheit. Trier, Berlin 2010, S.282/283
[3] Manfred Schneckenburger in: Ottmar Hörl. Materialprüfung, Ravensburg1996, S. 50