2006 entwickelte Ottmar Hörl die heutige Figur des Sponti-Zwerges, die seither mit einem Augenzwinkern provoziert und zum spielerischen Ungehorsam aufruft. Seit 2006 ist er in den unterschiedlichsten privaten Räumen über den kompletten Erdball entschwunden.
von Eva Schickler, Kunsthistorikerin M.A.
Er provoziert, weckt Emotionen, wird geliebt und gehasst: Der Gartenzwerg ist eine ambivalente Figur, anziehend und abstoßend zugleich, ein kulturelles Phänomen mit einer langen Tradition, die bis hin zu den frühen Ägyptern reicht. Als Inbegriff von Spießigkeit und schlechtem Geschmack gilt er bei vielen Intellektuellen bis heute noch als ästhetisches Verbrechen. Dass er einmal als Hörl´sches Welterfolgsmodell die Kunst erobert, war in den 1980er Jahren, als alles seinen Anfang nahm, noch nicht abzusehen.
„Der Gartenzwerg ist die am meisten diskreditierte Figur in Deutschland. Hat sie das Potential zum künstlerischen Material? Die Frage hatte mich interessiert“, so Ottmar Hörl.
Wie alles begann – die ersten Gartenzwerg-Installationen
In den 1970er und 1980er Jahren arbeitete Ottmar Hörl bereits mit Industrieprodukten und industriell gefertigten Materialien. Er entwickelte radikale, innovative Skulpturen- und Fotokonzepte. Kein anderer Künstler hat sich so intensiv und so konsequent mit der Figur des Gartenzwergs als künstlerisches Material auseinandergesetzt wie Ottmar Hörl. Und noch vor dem Trend der moderneren „Anti-Gartenzwerge“ in den 1990er Jahren entstanden erste Kunstwerke mit seriell gefertigten Gartenzwergfiguren.
So realisierte er am 11. Oktober 1985 anlässlich der Veranstaltung „Ersatzkunst“ eine kurze Performance: „Nach einem durchdringenden schottischen Highlander [einem schottischen Instrumentalstück] zerschlägt Ottmar Hörl eine Reihe von Gartenzwergen auf einen Streich“, lautete die Ankündigung. Das Publikum war überrascht, amüsiert, begeistert, jubelte und applaudierte. Bei den Figuren handelte es sich um dasselbe Modell, das Ottmar Hörl schon im Frühjahr 1985 als künstlerisches Material für eine raumgreifende Installation mit dem Titel „Gelb-Syndrom“ in der Galerie ak in Frankfurt am Main einsetzte. Dazu verschraubte er etwa 60 Gartenzwergfiguren jeweils einzeln mit den Gesichtern zur Wand und zum Boden.
Beide Male handelte es sich um einen klassischen Gartenzwerg aus Ton, vom Künstler ausgewählt und mit einem monochromen blassgelben Farbton versehen. Monochrom gefärbte Gartenzwerge kannte man damals so noch nicht. War der monochrome Gartenzwerg 68 Jahre nach Marcel Duchamps „Fontaine“, nach Dadaismus, Surrealismus und Moderne ein Härtetest für das gebildete Kunstpublikum?
Gartenzwerge im fliegenden Wechsel
1994 startete Ottmar Hörl eine neue Aktion unter dem Titel „Fliegender Wechsel“. Dafür kaufte er tausend Kunststoffzwerge des provokanten Modells mit erhobenem Mittelfinger. Die Figuren ließ er bereits in der Fabrik in monochromem Blau einfärben und stellte sie dann ohne jegliche Vorankündigung im öffentlichen Raum in Seligenstadt auf. Sowohl in Gruppenformationen als auch in aufgelösten Strukturen bevölkerten blaue „Sponti- Zwerge“ Bushaltestellen, grinsten von Treppenaufgängen und bildeten auf den barocken Balustraden des Klostergartens gedankliche Bezüge zu historischen Vorbildern. Nach wenigen Stunden waren sie so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht waren. Passanten nahmen sie einfach mit. Der Wechsel vom öffentlichen Raum in den privaten Raum war einkalkuliert, war Teil des Konzepts. Es hatte funktioniert. In der Folge wurden Hörls monochrome Zwerge Teil verschiedener Ausstellungen, erregten auf internationalen Kunstmessen die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit ebenso wie die von Kuratoren und Kunstsammlern.
Kontinuierlich folgten weitere Installationen mit anderen Gartenzwergen, anderen Gesten, Inhalten und Werktiteln: „Zwergensteg“ 1997, „Welcome“ 1998, „Ben“ 2005, „Die Geheimnisträger (Nichts Hören, Nichts Sagen, Nichts Sehen)“ sowie die Neuauflage des „Sponti“ 2006 anlässlich der internationalen Kunstmesse in Amsterdam, gefolgt von „Poisoned“ 2008, „Most Wanted" 2011 und „Victory“ 2012. Hörl wählt für seine monochromen Figuren bevorzugt Verkehrsfarben wie Blau, Rot, Weiß, Schwarz, Grün oder Gelb, den Farben des öffentlichen Raums entsprechend.
Entwicklung eigener Gartenzwerg-Skulpturen
Seit 1998 trägt jeder Hörl-Zwerg eine Prägesignatur. Damals traf Ottmar Hörl die Entscheidung, Gestalt und Aussehen des jeweiligen Gartenzwerg-Modells selbst zu entwickeln, also eigene Prototypen bis zur seriellen Produktionsreife zu erstellen und die Produktion für jedes Installationsprojekt bei entsprechenden Herstellern in Deutschland in Auftrag zu geben. Hierin zeigt sich einmal mehr die Konsequenz eines künstlerischen Denkens, das alles aus gesellschaftlichen Strukturen, dem Material und den daraus resultierenden Erkenntnissen ableitet. Nicht zuletzt ist Deutschland die Geburtsstätte der Serienproduktion von Gartenzwergen. Doch im Unterschied zu allen anderen Gartenzwergen zeichnet sich ein Hörl-Zwerg durch die Reduktion auf das Wesentliche aus. Charakteristische Elemente (wie Bart, Jackett, Hose, Schuhwerk) sind bewusst schlicht gestaltet. Dadurch wirken die Figuren zeitgemäß, gleichzeitig aber auch zeitlos und universell. Der Hörl-Zwerg ist faktisch die formale Essenz des Gartenzwergs an sich. Ein Vergleich der Sponti-Zwerge von 1994 und 2006 lässt diesen Unterschied deutlich werden. Mit der Entwicklung eigener Gartenzwerg-Modelle ist es Ottmar Hörl gelungen, den Gartenzwerg als ein ikonisches Urbild der Kulturgeschichte auf den Punkt zu bringen. Kein Wunder also, dass die Figuren mittlerweile Kultstatus genießen.
Die Werktitel der verschiedenen Gartenzwergfiguren und Installationen von Ottmar Hörl bauen inhaltliche Brücken und eröffnen gedankliche Räume zur Auseinandersetzung. So ist sein Sponti-Zwerg beispielsweise eine Reminiszenz an die sogenannte Sponti-Szene der 1970er und 1980er Jahre in Deutschland, eine Bewegung linksorientierter politischer Aktivisten, in der sich damals unter anderem auch Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit engagierten.
Die Spontis sahen sich als Nachfolgebewegung der außerparlamentarischen Opposition (APO) und der 68er-Bewegung. Sie waren besonders in Studentenstädten wie Frankfurt am Main oder West-Berlin verbreitet und für ihre spontan wirkenden politischen Aktionen berüchtigt. Die Sponti-Bewegung hielt die Spontaneität der Massen für das revolutionäre Element der Geschichte. Ihre Vision war die Veränderung der Lebensverhältnisse sowie die Erprobung von alternativen Möglichkeiten des Zusammenlebens. Sogenannte Sponti-Sprüche gingen durch die Medien, man kämpfte beispielsweise mit Hausbesetzungen für günstigen Wohnraum, aber auch gegen Atomkraft und für Umweltbewusstsein.
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